Letzte Ruhe für Roms Reittiere – größter römerzeitliche Pferdefriedhof Süddeutschlands in Stuttgart-Bad Cannstatt entdeckt

2025-04-18    IDOPRESS

Archäologischer Sensationsfund in Stuttgart: Bei einer Grabung des Landesamts für Denkmalpflege kamen über 100 Pferdeskelette aus der Römerzeit ans Licht. Die Tiere gehörten zu einer Reitereinheit,die im 2. Jahrhundert nach Christus am Hallschlag stationiert war. Die Funde ermöglichen nun einzigartige Einblicke in die Pferdenutzung der römischen Armee.

Bad Cannstatt war in der ersten Hälfte des. 2. Jahrhunderts nach Christus einer der wichtigsten römischen Militärstandorte im heutigen Südwestdeutschland. Die hier stationierte Reitereinheit hatte einen Bestand von vermutlich über 700 Tieren. Starb ein Tier,wurde es mit ausreichend Abstand zu Kastell und Siedlung auf einem eigens dafür ausgewählten Areal begraben.

Ein Neubauprojekt der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG) in dem Areal zwischen Düsseldorfer Straße und Bottroper Straße machte ab Juli 2024 archäologische Untersuchungen notwendig,die rund 100 Pferdeskelette ans Licht brachten. Die Grabungen wurde von der archäologischen Firma ArchaeoBW unter der fachlichen Begleitung des Landesamtes für Denkmalpflege (LAD) im Regierungspräsidium Stuttgart durchgeführt und konnte nun abgeschlossen werden.

Beim Bau von Wohnblöcken in den 1920er-Jahren waren erstmals Pferdeskelette in der Nähe des Nastplatzes entdeckt worden. Bereits damals wurde das Areal als römerzeitlicher Pferdefriedhof beziehungsweise „Schindanger“ gedeutet. Die nun durchgeführten archäologischen Baubegleitungen an der Düsseldorfer Straße und die im Herbst angeschlossene Rettungsgrabung konnten diese Interpretation bestätigen: „Die ersten,jetzt entdeckten Pferdeknochen wurden stichprobenartig anhand der Radiocarbon-Methode in das 2. Jahrhundert datiert“,berichtet Sarah Roth,die zuständige Archäologin am LAD. „Aufgrund des archäologisch-historischen Kenntnisstandes zum römischen Bad Cannstatt lassen sich die Pferde der Reitereinheit – einer sogenannten ‚Ala‘ – zuweisen,die von zirka 100 bis 150 nach Christus auf dem Hallschlag stationiert war. Die Truppe mit knapp 500 Reitern dürfte einen Gesamt-Pferdebestand von wenigstens 700 Tieren gehabt haben,Verluste mussten dabei ständig ersetzt werden.“

Tote Pferde wurden zirka 400 Meter vom Reiterkastell entfernt und mit einem Abstand von 200 Metern zur Zivilsiedlung begraben. Man schleifte die Kadaver meist einzeln in flache Gruben,wo sie auf der Seite liegend mit gestreckten oder angewinkelten Beinen begraben wurden. Die Stelle wurde vermutlich über der Erde markiert,denn trotz einer teils dichten Belegung gab es laut Sarah Roth nur wenige Überschneidungen der Gruben.

Roth berichtet weiter: „Die Pferde scheinen nicht alle gleichzeitig bei einem großen Ereignis wie einer Schlacht oder Seuche gestorben zu sein. Vielmehr liegen hier die Tiere,die während der Anwesenheit der Ala in Bad Cannstatt durch Krankheit,Verletzungen oder aus anderen Gründen entweder starben oder ihrer Aufgabe als Militärpferd nicht mehr nachkamen. Konnte das Pferd noch selbst laufen,wird man es auf den Pferdefriedhof gebracht und vor Ort getötet haben,um den schweren Kadaver nicht transportieren zu müssen“. Die genaue Größe des Pferdefriedhofs bleibt unbekannt. „Er war ursprünglich sicher ausgedehnter als das rund 70 mal 80 Meter große Areal im Nordosten der Neubaufläche,in dem die Skelette gefunden wurden“,so Roth.

Die meisten Tiere wurden wohl eher entsorgt als bestattet,mit wenigen Ausnahmen: Einem der Pferde hatte man zum Abschied zwei Krüge und eine kleine Öllampe,typische Grabbeigaben für Menschen,in die Armbeuge gelegt. Roth: „Hier sehen wir eine besonders enge Verbundenheit des Besitzers zu seinem Pferd. Auch nach rund 1800 Jahren ist die Trauer über den Tod dieses einen Tieres noch ersichtlich“.

Weniger Wertschätzung als diesem Pferd hatte man offenbar einem erwachsenen Mann entgegengebracht. Sein Skelett in Bauchlage und ohne jegliche Beigaben fand sich zwischen den Pferdegräbern,weit weg von dem regulären Bestattungsplatz der römischen Siedlung. Hier dürfte ein „Außenseiter“ der antiken Gesellschaft pietätlos verscharrt worden sein.

Nach dem Abschluss der Ausgrabungen bietet die große Anzahl an Pferdeskeletten aus Bad Cannstatt nun die seltene Gelegenheit,einen genaueren Einblick in die Pferdenutzung der römischen Armee zu gewinnen. Archäozoologische Untersuchungen sollen Aufschluss zu Geschlecht,Sterbealter und Größe der Pferde sowie ihrer Beanspruchung als Reittiere,möglichen Krankheiten und der Todesursache geben. Naturwissenschaftliche Untersuchungen könnten darüber hinaus noch weitere Fragen klären: Wie wurden die Tiere gehalten und ernährt? Woher kam die erste Generation Pferde und wurde in späterer Zeit in Bad Cannstatt oder der näheren Umgebung gezüchtet? Keine unwichtige Frage in einer Landeshauptstadt,die nach ihrem ‚Stutengarten‘ benannt ist.

Foto (Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/ArchaeoBW):  Pferdefriedhof

PM Regierungspräsidium Stuttgart

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