Wer am Freitag im Göppinger Staufen Kino – etwa bei den Schulwochen – vorbeischaute,wunderte sich. Überall Regenbogenfahnen,Flyer und Disney–Kostüme von Cruela bis Schneewittchen: SinemaQUEER – das erste Göppinger Kinofestival zeigte drei Filme – doch der Fokus lag woanders.
„Wir wollten mit diesem vom Sozialministerium Baden–Württemberg geförderten Projekt queere Menschen zusammenbringen“ erläutert Helga Hedi Denu,die Projektleiterin im Verein Beratungsstelle Geschlechtliche Vielfalt e.V.. „Und damit hatten wir unser Förderziel schon erreicht,bevor mit „Anima – die Kleider meines Vaters“ der erste Film auf der Leinwand zu sehen war.“ Insgesamt acht offene Treffen fanden seit April 2004 in der Mauch’schen Villa statt.
Ideen wurden entwickelt und wieder verworfen,Filme vorgeschlagen und ausgewählt – „und einige Tüten Chips und Süßigkeiten brauchte es,bis das Konzept stand“ erinnert sich die 59jährige Fachberaterin für Geschlechtliche Vielfalt und fügt an: „Besonders schwierig für mich war,auszuhalten,dass bis 5 Wochen vor dem Termin nur die Eckdaten wirklich klar waren.“ So etwas gibt es in der professionellen Eventplanung natürlich nicht,„Doch wir haben ja kein Kinoevent geplant – sondern uns über das Projekt als Gruppe neu gefunden“.
Für den Leiter des Staufen Kino Göppingen,Sebastian Selig war das auch eine Herausforderung: „Ich hatte wirklich überlegt,ob ich nicht mehr Werbung hätte machen sollen“ erklärte er kurz vor dem Event – als noch kaum Karten verkauft waren für die drei Filme „Anima – die Kleider meines Vaters“,„Futur Drei“ und „E-
milia Pérez“. Doch Frau Denu überzeugte mich mit der Idee: Community schaffen. „Aus drei Menschen,die am Anfang aktiv waren – sind inzwischen 15 geworden“ – ergänzt Helga Hedi Denu. „Und auf der Veranstaltung führten wir auch am Stand von QUEER FUTURE BW gute Gespräche“ erinnert sich Sophie Hirn aus dem Vorstand der Jugendorganisation des Netzwerks LSBTTIQA+ Baden–Württemberg. Tatjana
von Queer Göppingen brachte es auf den Punkt: „Durch die Planung und Vorbereitung von SinemaQUEER sind wir als Gruppe wieder viel enger zusammengerückt.“ Selbst die Demosanitäter der Johanniter um Leo Scholz überlegen sich nun,Teil der community zu werden. Helga Hedi Denu lacht: „Also ist nicht Queer ansteckend – wohl aber die Gemeinschaft und das Miteinander“.
Was Hannes Wegele,jüngster Stadtrat in Ebersbach und Leiter von „Teatime im Two“ ebenfalls findet: „Endlich mehr Sichtbarkeit für uns queere Menschen im Kreis!“ und „Mit genau solchen Aktionen wie von queer Göppingen oder anderen Gruppen im Landkreis fühlt man sich gleich etwas akzeptierter in dieser Welt.“
Das geht für Leo Theo (queer Göppingen) natürlich „runter wie Öl“. Für ihn kam noch ein Aspekt dazu: „Wir
haben hier Leute getroffen,die sich schon vor einiger Zeit aus unserer Community zurückgezogen hatten – und jetzt wieder aktiv werden möchten.“
Das war auch auf den Diskussionen nach den Filmen zu erkennen. Filmemacherin Uli Decker stellte auf dem
Weg von Berlin nach Paris ihren preisgekrönten Film „Anima – die Kleider meines Vaters“ vor. Und sich den Fragen aus dem Publikum. Davor war sie am Vormittag zwei Stunden bei radiofips mit einer Sondersendung „on air“ – und sprach mit Moderatorin Helga Hedi Denu über ihren Film,dessen Entstehung und das Event.
Hier brachte sich Janka Kluge aus Stuttgart mit viel Engagement ein – sie hat es immerhin geschafft,Julian Reichelts Produktionsfirma gerichtlich zu verbieten,sie als trans Frau mit männlichen Pronomen zu misgendern. Mit der exklusiven Vorpremiere zu „Emilia Pérez“ schloss dann Sinem-QUEER – nach einer langen,angeregten Gesprächsrunde im Anschluss an den Film. „Die habe ich zusammen mit Frau Denu von der Fachberatungsstelle moderiert“ so Kinoleiter Sebastian Selig. „Und es war faszinieren,auf wie vielen Ebenen wir hier miteinander ins Gespräch gekommen sind. Der Film ist offenbar so viel dichter und komplexer als ursprünglich erwartet“.
Und wie fanden die rund 50 Besucher über den Tag verteilt SinemaQUEER? Online konnte man in eine Wortwolke seine Eindrücke schildern. „Wunderbare Vielfalt“,„großartig“,„Begegnung“,„Solidarität“,„Offenheit“ und „Spaß“ wurden häufig genannt und der Spitzenreiter: „Community“. Göppingens queere Community scheint auf einem guten Weg zu sein.
PM Fachberatungsstelle Geschlechtliche Vielfalt für den Landkreis Göppingen